Coaching: Sinn oder Unsinn?

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Coaching: Sinn oder Unsinn? Dr. Holzinger Stuttgart

Sport und Coaching sind aufs Engste miteinander verknüpft. Im Sport geht es wie in kaum einem anderen Feld um Leistung. Leistung die auf den Punkt, auf die Minute abgerufen werden muss. Reproduzierbar und auf konstant hohem Niveau. Viele Sportler beschäftigen sich mit mentalem Training oder sie haben neben einem Trainer auch noch einen Coach. Was ist Coaching? Sinn oder Unsinn? Mit dieser Frage beschäftigt sich dieser Blog.

Körperliches Training ist nur eine Seite der Medaille

Mühseliges Training, die technische Richtigkeit eines Bewegungsablaufes, der hervorragende Zustand der Muskeln – sind nur eine Seite der Medaille. Leistung und Erfolg sind die andere Seite. Erfolg im Sport hat der, der unermüdlich trainiert, seine Ziele erreicht und Wettkämpfe gewinnt. Im Idealfall macht das auch noch Spaß.

Sport ist aber nicht nur eine körperliche, sondern vor allem eine geistig mentale Anstrengung. Viele Sportler leiden unter Schmerzen, Verletzungen, Rückschlägen und Misserfolgen, Niederlagen und zweiten Plätzen. Im sportlichen Wettstreit werden die Charaktereigenschaften eines Menschen mit chirurgischer Präzision herausgearbeitet. Scheitern, Versagen und extreme Erfolge liegen dicht beieinander. Sport-Coaches helfen ihren Sportlern bei der Bewältigung von Versagensängsten, Stress und Schmerzen. Aber auch bei der Frage nach dem richtigen Umgang mit Erfolg und Niederlage stehen sie ihren Sportlern zur Seite. Sie helfen ihnen dabei, sich erfolgreich selbst zu steuern.

Der Umgang mit Zielen und Visionen – Coaching: Sinn oder Unsinn?

In meiner Zeit als aktiver Leichtathlet und später bei der Arbeit als Personal Trainer war ich mit diesen Fragestellungen konfrontiert. Wie kann man seine eigenen Ziele erreichen und Visionen umsetzen? Wie verhält und fühlt man sich, wenn sich diese Ziele nicht erreichen lassen?
Scheitern kann beispielsweise nicht nur als Drama verstanden werden, sondern als Möglichkeit zu lernen und sein Handeln neu auszurichten. Erfolg erzeugt positive Emotionen wie Freude, Schwung, Elan und Begeisterung. Erfolg und die daraus resultierenden Gefühle ermutigen uns, Neues zu wagen und zu verwirklichen.

Erfolgreich zu sein und Ziele zu erreichen – das ist nicht nur das Selbstverständnis von Sportlern, sondern auch von Unternehmern, Managern und Führungskräften. Sie sind die idealen Kandidaten für ein Coaching im oben beschriebenen Sinne. Mit einem guten Coach können Führungskräfte ihre Ziele häufig schneller und effizienter erreichen. So werden erfolgreiche Menschen noch erfolgreicher, wie Marshel Goldsmith es formuliert.

In meiner Arbeit als Trainer und Coach nutze ich selbstverständlich auch die Erkenntnisse der Forschung. Programme der Harvard Medical School für die Unterstützung von übergewichtigen Menschen zeigen beispielsweise die Überlegenheit von Coachingmethoden, vor klassischen Kursen und Ernährungsberatung. Wem es nachhaltig gelingt, eigene Handlungsziele zu formulieren zu erreichen und mit Freude und Begeisterung zu verbinden, wird leichter zu einer für ihn gesunden und passenden Ernährungsweise finden.

Coaching ist aus meiner Sicht also kein Unsinn oder Humbug. In den richtigen Händen ist es ein wirksames und fast „mächtiges“ Instrument, mit dem man in bestimmten Lebenssituationen vorankommen kann.

Von der Blockade zur Handlung

Ein Bankberater hat bestimmte Produkte im Portfolio und diese muss er seinem Kunden anbieten. Ein Rechts- oder Steuerberater berät seine Klienten im Rahmen des Gesetzes. Ein Arzt verschreibt Medikamente und rät seinen Patienten, sich an seinen Therapievorschlag zu halten. Der Berater „rät“ seinen Klienten etwas – er hat meist vorgefertigte, rezeptartige Lösungen für die Probleme seiner Klientel.
Im Gegensatz dazu „führt“ ein Coach seinen Klienten zur Lösung eines Problems, ohne die Lösung im Vorhinein zu kennen. Ein Coach hilft seinem Klienten, herauszufinden, was sein Anliegen ist und was er wirklich tun will. Im Mittelpunkt eines Coachings steht also nicht irgendeine vorgefertigte Antwort – das was der Berater seinem Klienten rät – sondern die ehrliche Frage nach dem, was der Klient tun, sein oder erreichen möchte.

Ob es sich dabei um die Frage nach einer bestimmten sportlichen Leistung, um die Frage der „richtigen“ Kindererziehung oder um betriebswirtschaftliche Sachverhalte eines Managers dreht, ist nachrangig. Ein Coach möchte seinen Klienten dabei unterstützen, herauszufinden, was er wirklich will. Coaching ist also eine Methode zur Willensbildung. Aber nicht nur das. Es geht vor allem auch darum, diesen Willen in ein Tun zu überführen. Häufig sind Menschen bei der Umsetzung ihres Willens gehemmt oder blockiert. Im Coachingprozess werden emotionale Blockaden (Angst, Ärger, Wut, Zorn, Scham, Antriebslosigkeit, Frustration etc.) und praktische Blockaden (mangelhaftes Zeitmanagement, schlechte Gewohnheiten, fehlendes Wissen etc.) abgebaut, so dass der Klient seine Vorhaben erfolgreich umsetzen kann. Mit Aristoteles gesprochen, ist Coaching ein Prozess der Willensbildung, der zum Handeln führt.

Selbststeuerung und Selbstwirksamkeit

Der Coach und sein Klient streben gemeinsam nach Erfolg. Dabei kann der Begriff Erfolg weit gefasst werden. Ein Erfolg kann sein, wenn der Klient seinen Status in der Gesellschaft verbessert oder einen beruflichen Karrieresprung erzielt. Unter Erfolg kann aber auch verstanden werden, wenn der Klient etwas erreicht, was er unbedingt erreichen wollte: wenn er zum Beispiel sein Körpergewicht reduziert, seine Trägheit überwindet, eine Firma gründet oder sich nach einem Streit entschuldigt. Damit ein Mensch erfolgreich seine Ziele erreichen kann, muss er in der Regel gesund und leistungsfähig sein. Erfolg ist der Maßstab der persönlichen Leistungsfähigkeit.

Im Coaching geht es also auch darum, den Klienten dazu zu ermächtigen, seinen eigenen Leistungsprozess zu steuern. Die aus eigener Kraft selbst erreichten Ziele werden als echte Erfolge wahrgenommen. Die meisten Klienten, die sich an einen Coach wenden, wollen also ihre mentale oder körperliche Leistungsfähigkeit verbessern und entwickeln, und das auf einem Weg, der ohne Zwang, Indoktrination, Hypnose oder irgendeine andere Beeinflussung auskommt. Klienten wollen ihre Leistung und ihren Erfolg sich selbst zuschreiben. Im Fachjargon wird von Selbststeuerung und Selbstwirksamkeit gesprochen.

Coaching ist keine Therapie

Coaching ist also keine Therapie – weder eine medizinische noch psychotherapeutische. Im Kern ist Coaching auch keine Beratung, die auf Ratschlägen und Erfahrungen basiert. Ein Coach möchte dazu beitragen, dass sich seine Klienten als autonome Wesen empfinden, die ihr Leben und Handeln selbst bestimmen. Eine Grundannahme, die dabei unterstellt wird, ist, dass alle Menschen etwas erreichen wollen, dass sie im Grunde ihres Herzens ein erfolgreiches Leben leben wollen. Dazu gehört aber auch der erfolgreiche Umgang mit seinen oft schmerzlich erlebten Grenzen: eigene Schwächen, Fehler, Versagen und nicht genutzte Chancen und Handlungsspielräume. Nicht alles, was man will, kann man auch erreichen. In einer komplexen, vernetzten und hektischen Welt, kann man Ereignisse und Ergebnisse nicht vorhersagen. Daher ist der „richtige“ Umgang mit Unwägbarkeiten, Rückschlägen und fehlerhaften Entscheidungen oft zentraler Inhalt eines Coachings.

Unterstützung auf Augenhöhe – Coaching: Sinn oder Unsinn?

Coaching ist ein helfender Dialog auf Augenhöhe. Das klingt paradox, denn die helfende Beziehung ist in der Regel asymmetrisch. Einer gibt und einer nimmt. Damit sich ein Klient aber als autonomes, selbststeuerndes Wesen empfinden kann, darf sich der Coach nicht „überhöhen“. Ein Coach ist im Gegensatz zu den eigenen Eltern, dem (Ehe-)Partner, den Geschwistern oder engen Freunden ein neutraler, außenstehender Gesprächspartner. Ein Coach ist im Optimalfall ein unparteiischer Denkpartner, der in seiner Fremdheit und Andersartigkeit für den Klienten den Unterschied macht und dadurch Hilfe im Dialog ermöglicht.
Dabei formulieren Klienten selbst Ihre Probleme und Ziele. Sie definieren, was es für sie heißt, erfolgreich zu sein. Objektive Maßstäbe, ethisch-moralische Vorstellungen und wissenschaftliche Konzepte sind für den Coachingprozess sekundär. Im Vordergrund stehen das subjektive Erleben des Klienten und die Frage, ob es dem Klienten selbst gelingt, die im Coachingprozess erarbeiteten Interventionen, erfolgreich umzusetzen.

Coaching ist keine Esoterik und auch keine Religion

Hier verläuft auch die Trennlinie zu esoterischen (Kartenlegen, Wahrsagen, Schamanen etc.) oder religiösen Ansätzen bei denen der Klient zunächst die Welterklärung der helfenden Person akzeptieren und/oder glauben muss. In diesen asymmetrischen Beziehungen, muss der Klient sich immer wieder an die helfende Person wenden und lernt nicht, sich selbst zu helfen. Ein guter Coach zeichnet sich dadurch aus, dass er über seine Praktiken, Arbeitsweisen und leitenden Vorstellungen jederzeit Auskunft erteilt. Er kennt die Wege zur Überwindung von emotionalen und praktischen Blockaden und ermöglicht so seinen Klienten eine erfolgreiche und autonome Handlungssteuerung. Ein guter Coach möchte sich selbst überflüssig machen, in dem er seinen Klienten von sich „befreit“. Dabei muss er nicht selbst Experte auf allen Fachgebieten sein. Er sollte jedoch erkennen können, ob und wann beispielsweise ein Spezialist oder ein Arzt hinzugezogen werden sollte.

Ein wirksamer und guter Coach verknüpft sein vertieftes Wissen (allgemeine Psychologie und Handlungstheorie) und methodische Kompetenz beim Coaching-Prozess und führt dadurch seine Klienten auf einen erfolgreichen Weg. Eine fundierte wissenschaftliche Ausbildung und eine langjährige Übung sind Grundvoraussetzungen.

Euer Dr. Daniel Holzinger

Coaching: Sinn oder Unsinn?