Daniel Kahneman – Denken 2.0. Wie der gesunde Umgang mit dem eigenen Kopf gelingt.

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Daniel Kahneman – Wie der gesunde Umgang mit dem eigenen Kopf gelingt.

Daniel Kahneman, Nobelpreisträger, Psychologe und Universitätsprofessor, war ein faszinierender Denker, dessen Forschungen zahlreiche traditionelle Annahmen über das menschliche Denken auf den Kopf gestellt haben.

2002 erhielt er für seine Prospect Theory den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Kahneman wies nach, dass Menschen bei Entscheidungen häufig von Emotionen und bestimmten Denkmustern beeinflusst werden, anstatt rein logisch vorzugehen. Die Wirtschaftswoche fasste treffend zusammen: „Darin beerdigt er wissenschaftlich das kühl seinen Nutzen maximierende und rationale Entscheidungen treffende Individuum – und setzt an dessen Stelle einen sprunghaften Typus Mensch mit oft verzerrter Wahrnehmung, der lieber auf Intuition als auf Fakten und Abwägung setzt.“ (Bert Losse, 29. März 2024)

Cognitive Coaching und Daniel Kahnemans „Schnelles Denken, langsames Denken“

2011 erschien Daniel Kahnemans Bestseller „Schnelles Denken, langsames Denken“. Er stellte darin seine Erkenntnisse über die zwei Arten menschlichen Denkens dar, die von besonderer Relevanz für unsere Coaching- und Bildungsarbeit hier am Dr. Holzinger Institut sind. Wer diese kognitiven Vorgänge im Kopf tatsächlich versteht, verfügt über einen entscheidenden Hebel für gesundes Denken, Fühlen und Handeln.

In seiner langjährigen Forschung mit zahlreichen empirischen Studien hat Kahneman tiefgreifende und überraschende Erkenntnisse über die menschliche Art zu denken gewonnen. Er war dadurch in der Lage, unsere zwei wesentlichen Denksysteme detailliert zu beschreiben.

Was ist schnelles Denken?

Unser schnelles Denken arbeitet:

  • automatisch,
  • intuitiv,
  • ohne bewusste Anstrengung,
  • ohne willentliche Steuerung.

Aufgrund von Erfahrungen und eingeübten mentalen Mustern verarbeitet es Informationen schnell. Zugleich ist es stark mit unseren Emotionen und Instinkten verknüpft.

Das schnelle Denken hat folgende Vorteile:

Effizienz:
Schnelles Denken erlaubt uns, in alltäglichen Situationen rasch Entscheidungen zu treffen, ohne viel Energie oder Zeit aufzuwenden.

Automatische Reaktionen:
In gefährlichen oder stressigen Situationen reagiert das schnelle Denken sofort, was unser Überleben sichern kann (z. B. schnelles Ausweichen vor Gefahr).

Verarbeitung von Gewohnheiten:
Routineaufgaben werden durch schnelles Denken mühelos und ohne bewusste Anstrengung erledigt.

Intuition:
Unsere Intuition hilft, schnelle Einschätzungen zu treffen, basierend auf Erfahrungen und erlernten Mustern.

Ohne schnelles Denken wären wir nicht überlebensfähig: Unser Gehirn hätte einen viel zu hohen Energieverbrauch, wenn wir jede Handlung zuerst bewusst durchdenken müssten – man denke an die schweißgebadeten Mühen der ersten manuellen Schaltversuche in der Fahrschule und die spätere Mühelosigkeit der Routine. Das schnelle Denken reagiert zudem in Gefahrensituationen und verteidigt unsere Interessen und Bedürfnisse.

Die Nachteile des schnellen Denkens

Naturgemäß bringt das schnelle Denken eine Reihe von Nachteilen mit sich. Zum einen kann es zu emotionalen Überreaktionen führen. Es basiert auf sofortigen, automatischen Reaktionen und intuitiven Prozessen, die in den primitiveren Hirnregionen, wie dem limbischen System, stattfinden. In stressigen oder bedrohlichen Situationen reagieren wir deshalb oft impulsiv – mit unangemessenen emotionalen Reaktionen und Forderungen. Das geht so schnell, dass wir keine Zeit haben, rational darüber nachzudenken. Dieses Phänomen kann sowohl die Beziehung zu uns selbst als auch zu anderen belasten.

Das schnelle Denken ist zudem anfällig für systematische Fehler in Form von kognitiven Verzerrungen. Das liegt daran, dass es mit sogenannten Heuristiken arbeitet: mentale Abkürzungen oder Faustregeln, die uns helfen, schnelle Entscheidungen zu treffen, ohne alle verfügbaren Informationen zu analysieren. Heuristiken vereinfachen komplexe Probleme, können aber auch zu Fehlern führen. In der Folge handeln wir mitunter aus größter Überzeugung „aus dem Bauch heraus“ und liegen dennoch mit unserem Urteil daneben.

Daniel Kahneman wies zahlreiche kognitive Verzerrungen nach, wie z. B.:

Verfügbarkeitsheuristik:
Eine mentale Abkürzung, bei der wir Informationen verwenden, die uns leicht in den Sinn kommen, um Entscheidungen zu treffen oder Wahrscheinlichkeiten einzuschätzen. Wir verlassen uns dabei auf Erinnerungen oder kürzlich erlebte Ereignisse, die besonders auffällig oder emotional sind. Dies kann zu Fehleinschätzungen führen, weil leicht verfügbare Informationen nicht unbedingt repräsentativ für die Realität sind.
Beispiel: Ein Manager entscheidet, eine bestimmte Marketingstrategie zu verfolgen, weil ein ähnliches Konzept kürzlich erfolgreich war und ihm präsent ist, auch wenn es für das eigene Unternehmen unpassend ist.

Bestätigungsfehler:
Wir neigen naturgemäß dazu, Informationen zu suchen, auszuwählen und zu interpretieren, die unsere bestehenden Überzeugungen oder Annahmen unterstützen, und widersprüchliche Daten zu ignorieren. Dies kann zu Fehlentscheidungen führen, weil wir uns nur auf bestätigende Beweise stützen.
Beispiel: Ein Geschäftsführer ignoriert Marktanalysen, die zeigen, dass eine neue Produktlinie nicht erfolgreich sein wird, weil er von der Idee bereits überzeugt ist.

Ankerheuristik:
Hier beeinflusst ein anfänglicher Wert oder eine Zahl unsere nachfolgenden Entscheidungen und Einschätzungen, selbst wenn dieser sogenannte Ankerwert irrelevant ist. Unser Gehirn orientiert sich stark an dieser ersten Information, auch wenn sie keinen objektiven Bezug hat.
Beispiel: Wenn bei Preisverhandlungen ein erster, hoher Preis genannt wird, werden nachfolgende Angebote und Gegenangebote relativ dazu bewertet, selbst wenn der Startpreis unrealistisch hoch war.

Verlustaversion:
Wir empfinden Verluste stärker als Gewinne gleicher Größe. Dies führt dazu, dass wir risikoaverser handeln, um Verluste zu vermeiden, auch wenn das unlogische oder nachteilige Entscheidungen zur Folge hat.
Beispiel: Ein Investor hält an einer schlechten Aktie fest, weil der Verlust, den er bereits erlebt hat, psychologisch schwerer wiegt als die Möglichkeit, sein Geld in eine bessere Investition umzuschichten

Was ist langsames Denken?

Das langsame Denken, das Daniel Kahneman beschreibt, ist analytisch und erfordert mehr Anstrengung. Es wird hauptsächlich mit dem präfrontalen Kortex des Gehirns assoziiert. Dieser Teil des Gehirns ist für komplexe, bewusste und analytische Prozesse zuständig, wie Problemlösung, Planen, Nachdenken und das Kontrollieren von Impulsen.

Das langsame Denken ermöglicht uns, über unsere Entscheidungen nachzudenken, Alternativen abzuwägen und bewusster zu handeln. Im Cognitive Coaching und in der RE&KVT* spielt dieses langsame Denken eine zentrale Rolle. Es hilft uns, irrationalen Überzeugungen auf den Grund zu gehen und diese durch rationalere, realistischere Gedanken zu ersetzen.

Die Vorteile des langsamen Denkens:

Genauigkeit:
Es ermöglicht gründliche und bewusste Entscheidungen, indem es Informationen analysiert und rational abwägt.

Korrektur von Fehlern:
Das langsame Denken kann die impulsiven Entscheidungen des schnellen Denkens überprüfen und korrigieren, wenn diese voreilig sind. Wir können also über unser eigenes Denken nachdenken.

Langfristige Planung:
Langsames Denken unterstützt strategisches und zukunftsorientiertes Handeln.

Kontrolle von Emotionen:
Unser langsames Denken hilft, emotionale Reaktionen zu regulieren und impulsive Überreaktionen zu vermeiden.

Diese Vorteile sind besonders wichtig für das Erkennen und Lösen von emotionalen Konflikten und Blockaden sowie bei komplexen oder unklaren Entscheidungen.

Die Nachteile des langsamen Denkens

Ähnlich wie das schnelle Denken hat auch das langsame Denken seine eigenen, neurophysiologisch bedingten Nachteile. Diese Faktoren machen langsames Denken in alltäglichen, routinemäßigen Situationen weniger praktikabel, wenn man es nicht anwenden lernt:

Zeitaufwendig:
Langsames Denken erfordert viel Zeit und Energie, da es bewusstes Nachdenken und Analysieren verlangt.

Anstrengend:
Es kann mental ermüdend sein, besonders bei komplexen Entscheidungen oder nach langer Nutzung.

Ineffizienz:
In Situationen, in denen schnelle Entscheidungen notwendig sind, kann langsames Denken ineffizient sein.

Steht im Konflikt mit unserer Komfortzone:
Wir neigen dazu, uns auf das schnelle Denken zu verlassen und das langsame Denken nur in besonderen Fällen einzusetzen. Es erfordert bewusste Anstrengung, sich mit den eigenen Gedanken auseinanderzusetzen – was besonders schwerfällt, wenn wir übermüdet oder emotional belastet sind. Durch die Identifikation mit den eigenen Meinungen und Überzeugungen fällt es uns zudem schwer, Denkfehler und kognitive Verzerrungen zu erkennen und einzugestehen – ganz nach dem Motto „L’État, c’est moi!“ („Der Staat bin ich!“, Ludwig XIV.).

Unsere kognitive und emotionale Rettung:
Daniel Kahnemans Erkenntnisse ermöglichen uns den gesunden Umgang mit dem eigenen Kopf

Daniel Kahnemans Arbeit zeigt eindrucksvoll, wie tiefgreifend unser Denken unser emotionales Erleben und Verhalten beeinflusst. Indem wir verstehen, wie unser Denkapparat wirklich arbeitet, lernen wir, uns selbst – unsere Gedanken, Gefühle und unser Verhalten – besser zu verstehen.

Das langsame Denken erlaubt uns, unsere kognitiven Verzerrungen, Denkfehler und irrationalen Forderungen bewusst zu erkennen. Dadurch können wir lernen, unser Denken gezielt zu steuern und folglich unser Gefühlsleben und Verhalten nachhaltig positiv zu beeinflussen. Denn: Was wir denken, fühlen wir. Und wie wir fühlen, handeln wir.

Wer diese Zusammenhänge nicht kennt, müht sich unnötig und häufig erfolglos ab, wenn er versucht, mit diesem überaus mächtigen Werkzeug namens Gehirn klarzukommen. So ist es also effizienter das langsame Denken als Fähigkeit aufzubauen, um letztendlich damit schneller, erfolgreicher und zufriedener zu werden.

Hier am Dr. Holzinger Institut vermitteln wir mit unserem Einzelcoaching-, Seminar- sowie Aus- und Weiterbildungsangebot genau diese Zusammenhänge, um einen selbstbestimmten Umgang mit dem eigenen Kopf zu ermöglichen. Das ist die Grundlage für gute Beziehungen zu sich selbst und anderen – und es ist die Grundvoraussetzung für persönliches Wachstum.